Schluss mit der Verschwendung
Reißt man ein Gebäude ab, wird es zu Bauschutt. Aber wäre es nicht viel besser, es in seine Bestandteile zu zerlegen und diese wiederzuverwerten? Dafür steht Cradle to Cradle. Was das genau heißt und wie Bauen dadurch nachhaltiger wird.
von Silja
08.03.2024, 11:14 Uhr • 5 Min. Lesezeit
Als Kind habe ich es geliebt, mit Legosteinen zu spielen. Ich habe Türme gebaut, bis mir die Steine ausgegangen sind, habe alles wieder auseinandergenommen und versucht, mit dem nächsten Turm noch höher zu kommen. Jedesmal ist aus denselben Steinen etwas Neues entstanden. Im Unterschied zu anderem Spielzeug sind meine Legosteine nämlich nie kaputtgegangen. Heute bauen meine Neffen damit – und sind davon genauso begeistert wie ich früher.
Was steckt hinter dem Cradle-to-Cradle-Prinzip?
Cradle to Cradle beschreibt einen Designansatz für nachhaltige Produkte. Er ist inspiriert von der Natur, die keinen Abfall kennt.
Der Ansatz folgt den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, bei dem jedes verwendete Material nach seiner Nutzung in einen biologischen Kreislauf zurückgeführt werden soll.
Baumaterial wiederverwenden?
Das Prinzip von Legosteinen ist einfach super: aufbauen, abbauen, Neues bauen. Und in der Realität? Wenn ein Gebäude abgerissen wird, dann zerlegen wir es nicht in seine
Einzelteile, sondern wir produzieren vor allem eins: eine Menge Bauschutt. Aber wäre es nicht sinnvoll, auch da das Prinzip der Legosteine zu nutzen? Natürlich hat ein Gebäude viel mehr
Bestandteile als ein Legoturm. Aber warum sollten wir unsere Gebäude nicht auch wieder zerlegen und wiederverwenden?
Unser Team baut möglichst klimaschonend, wir nutzen regionale Lieferanten und erneuerbare Energien. Aber wie sieht es mit den Baumaterialien aus? Lässt sich verhindern, dass am
Ende alles bei der Deponie landet? Das habe ich gleich mal die Architekten bei uns im Team gefragt, die sich täglich mit der Planung und dem Bau von Häusern befassen.
Umdenken: Cradle to Cradle
Cradle to Cradle beschreibt das Prinzip von der Wiege zur Wiege. Rohstoffe werden nach der Verwendung so zurückgeführt, dass sie sich wiederverwenden lassen. Der Begriff
wurde im Jahr 2002 geprägt von dem Chemiker Michael Braungart und dem Architekten William McDonough. Ihre Vision: der Aufbau perfekter Kreisläufe. Kein Müll, keine Verschwendung, keine
Umweltverschmutzung.
Dafür gibt es bei Cradle to Cradle drei Grundsätze:
Nährstoff bleibt Nährstoff
Alle in der Produktion verwendeten Rohstoffe lassen sich ohne Qualitätsverlust wiederverwenden oder biologisch abbauen.
Erneuerbare Energien
Produkte werden nur mithilfe erneuerbarer Energiequellen hergestellt.
Diversität
Produktionsprozesse sollen die biologische und kulturelle Vielfalt mit einbeziehen.
Der Ansatz ist inspiriert von Abläufen, die wir aus der Natur kennen. Bei biologischen Kreisläufen bleiben keine Abfälle übrig, alles wird verwertet. Beispiel Kompostieren: Da wird aus Lebensmittelresten nährstoffreiche Erde, in der Bäume wachsen können, die wieder neues Obst hervorbringen.
Endliche Ressourcen für die Tonne?
In der Industrie passiert heute oft das Gegenteil. Hier handeln die meisten Hersteller nach dem Prinzip Cradle to Grave, sprich: Rohstoffe entnehmen – nutzen – entsorgen. So entsteht
nicht nur eine Menge Müll. Wer etwas wegwirft oder verbrennt, entzieht es dem System und macht es für Kreisläufe unbrauchbar. Weiternutzen und Wiederverwerten sind also wichtige Schritte,
um die Welt nachhaltiger zu machen. Das Ziel ist eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, in der nichts verloren geht. Hersteller könnten ihre Produkte nach der Nutzung zurücknehmen, in
ihre Einzelteile zerlegen und wieder der Produktion zuführen.
Meine Kollegen haben mir erklärt, dass wir immer versuchen, Ressourcen optimal zu nutzen und wenig Müll entstehen zu lassen. Oft entscheidet die Auswahl an Baumaterial, wie viel Abfall
bleibt. Für unser Team liegt der Fokus auf natürlichen Materialien, die wir bei uns vor Ort vorfinden. Manche Hersteller bieten Produkte an, die nach mehreren Jahren als Sondermüll
entsorgt werden müssen und anschließend energetisch recycelt werden. Der Stoffkreislauf ist unterbrochen.
C2C Certified
- Registered Trademark -
Cradle to Cradle Products Innovation Institute
Zum Glück geht es auch anders. Ob Produkte dem Cradle-to-Cradle-Prinzip gerecht werden, erkennt man zum Beispiel an dem Label C2C Certified. Das ist ein internationaler Standard für nachhaltige Produkte. Kreislauffähigkeit ist ein wichtiger Aspekt, aber der Ansatz ist ganzheitlicher. Die C2C-Zertifizierung nimmt Produkte anhand von fünf nachhaltigen Aspekten unter die Lupe:
Materialgesundheit
Kreislauffähigkeit des Produkts
Erneuerbare Energien
Verantwortungsvolle Wassernutzung
Soziale
Fairness
Icons by Flaticon.com
Das Label steht also für Nachhaltigkeit in vielerlei Hinsicht. So können wir für unsere Gebäude nachhaltige Produkte auswählen, die sich nach der Nutzung weiterverwenden lassen.
Schritt für Schritt zu mehr Nachhaltigkeit
Mich hat der Ansatz sofort überzeugt – so sehr, dass ich mich frage, warum Hersteller ihre Produktion nicht viel schneller anpassen. Uns liegt das Thema jedenfalls sehr am Herzen. Wir sind
überzeugt: Durch die Entscheidung gegen Wegwerf-Produkte tragen wir dazu bei, dass sich der nachhaltige Ansatz durchsetzt.
Auf der Website von C2C steht ein Satz, der mir gefällt. Ich übersetze ihn so:
„Wie wir Produkte heute herstellen und designen, bestimmt, in welcher Welt wir morgen leben.“
Hoffen wir also, dass in Zukunft immer mehr Unternehmen Produkte nach dem Prinzip von Cradle to Cradle herstellen und Häuser Schritt für Schritt nachhaltiger und wiederverwertbarer werden – eben ein bisschen mehr wie ein Legohaus.
Wer schreibt hier?
Silja managt bei uns das Marketing und Personal-Recruiting, betreut die Websites und kümmert sich um Design und Redaktionelles. Sie ist keine Architektin, findet aber umso spannender, wie ihre Kollegen planen, bauen und sanieren.
Sie interessiert sich besonders für klimafreundliches Bauen und dafür, warum wir uns in manchen Häusern viel wohler fühlen als in anderen. Dazu löchert sie regelmäßig den Rest des Teams und berichtet im Blog, was die Kollegen aus dem Alltag erzählen.